Berichte und Geschichten über meine Reisen

 

 

Station 1: Alkmaar

 

Ein bisschen Geschichte:

Der Ort Alkmaar wurde erstmals 930n.CHr. genannt. Die Abtei von Egmond besaß hier das Zollrecht, das 1248 an Graf Willhelm II überging, der Alkmaar 1254 das Stadtrecht verlieh. 1573 konnte die Stadt der Belagerung durch die spanischen Truppen, die Haarlem eingenommen hatten standhalten. Die Altstadt liegt noch immer innerhalb der mit Bollwerken versehenen Kanäle, die 1573 – 94 nach Plänen von Adrian Antkonisz gestaltet wurden; die Wälle sind an der West- und Südseite bepflanzt worden.

Waag (Waagplain): Das Gebäude war Ursprünglich eine einschifffige Kreuzkapelle und wurde 1582 zur Waage umgebaut, wobei anstelle de Chores eine reiche Fassade entstand. Über der ehemaligen Vierung erhebt sich seit 1597 – 99 ein kräftiger Turm; unter der Balustrade befindet sich ein Reiterspiel, das mit jedem vollen Stundenschlag in Bewegung kommt.
Alkmaar ist heute bekannt für seinen „Kaasmarkt“.
Seit altersher wird dort die Tradition des Käsehandels aufrecht erhalten. Jeden Freitag von (Mitte April bis Mitte September) von 10.00 - 12.00 Uhr findet dort der traditionelle Käsemarkt statt.

 

Erzählung:

Am Morgen des 20. Juni 2003 fuhren wir mit unserem PKW nach Alkmaar in der Provincie Noord -Holland. Die Entfernung von unserem Heimatort liegt bei 230 KM, deshalb benutzten wir auf dem Hinweg die Autobahnen. Man fährt bequem über Nijmegen in Richtung Rotterdam und nimmt von dort die Autobahn in Richtung Norden.

Gegen 10°° Uhr kamen wir in Alkmaar an, zu unserer Überraschung fanden wir trotz des großen Besucherandranges sofort einen Parkplatz in der Nähe des Käsemarktes. Also, die Kameraausrüstung geschnappt, Frau in den Arm genommen und ab zum Käsemarkt. Die Stadt hat durch gute Beschilderung dafür gesorgt, dass man den Markt auch ohne Umwege, je nach Standort, gut findet.

Dort angekommen sah man erst mal nur eine große Menschenansammlung rund um den abgezäunten Markt. Dieser erste Eindruck war sehr deprimierend, wollte ich doch eine Fotostory erarbeiten. Das zweite Handicap war meine Frau, nach einer schweren Operation, war es für Sie zu gefährlich, sich  unter die Menge zu mischen (Gedränge, Stöße etc.). Deshalb stellte Sie sich etwas abseits. Da ich nun auch von kleiner Statur bin, konnte ich nicht über die Köpfe der Menge fotografieren, ich musste also irgendwie auf den Markt kommen. Durch eine Lücke in der Reihe meiner Vorderleute sah ich jemanden mit einer Kamera auf dem Markt herum laufen. Was der kann, kann ich auch, dachte ich mir; da ich mit einer „Profikamera“ ausgerüstet war, stieg ich an einer Stelle über die Absperrung und hatte so ein freies „Schussfeld“. Die Leute an der Waage schauten kurz auf mich... grüßten freundlich und ließen mich fotografieren. Ich dachte, bevor mich doch noch jemand vertreibt, versuche ich soviel Bilder wie möglich zu schießen. Ich jagte einen ganzen Film durch.

Freudig des großen Fotografenglücks, kehrte ich an die Stelle zurück, an der mich meine Frau erwartete. Ich erzählte Ihr, was ich mit meiner Kamera alles fotografieren konnte. Natürlich war Sie enttäuscht, da Sie kaum etwas von dem Treiben auf dem Markt mitbekommen hatte.. Wir entschlossen uns daraufhin erst mal einen Kaffee zu trinken und machten uns auf den Weg. Wir gingen über die „Oude Gracht“ und waren mitten in der Altstadt. Schmale Gassen mit wunderschön gestalteten alten Häusern, kleine besonders geschmackvoll dekorierte Geschäfte erregten unsere Aufmerksamkeit. Eingefangen durch die liebevoll gestalteten Häuser und kleinen Geschäften vergaßen wir sogar, dass wir ja eigentlich Kaffee trinken wollten. So spazierten wir durch die alten Gassen und plötzlich waren wir wieder am Käsemarkt. Hier herrschte immer noch Andrang aus allen Richtungen. Wir schoben und drückten uns durch die Massen und kamen endlich an ein Cafe. Dort ruhten wir uns erst einmal aus. Immer noch vom Eindruck der Altstadt gefangen plauschten wir über unsere Eindrücke. Dabei viel es mir dann wie Schuppen von den Augen: „Ich hatte zwar meine Fotos geschossen jedoch nicht die geringsten Kenntnisse über das Geschehen auf dem Käsemarkt erfahren.“ Ich teilte meiner Frau diese Erkenntnis mit, Sie schaute mich prüfend an und war der Meinung, dass ich nochmals dorthin zurück gehen müsse. Sie wollte jedoch nicht mehr mitgehen. Na ja, es war wohl doch zu anstrengend für Sie.

Also machte ich mich erneut auf den Weg zum Käsemarkt. Dort angekommen, sah ich, das schon der größte Teil des auf dem Marktplatz lagernden Käses abtransportiert worden war, auch war jetzt der Zugang zum Inneren der Waage frei. Mutig wie ich nun mal bin, ging ich zum Marktmeister ins Büro und stellte mich kurz vor. Ich erzählte ihm das ich in einem Kursus die niederländische Sprache erlerne und bei dieser Gelegenheit vom Alkmaarer Käsemarkt gehört hatte. Er freute sich über mein schlechtes Niederländisch und erklärte mir, mit gut ausgesprochenen Worten in seiner Sprache, immer mit einem deutschen Wort als Hinweis, wie hier seit Altersher der Käse gehandelt wird. Bevor mit dem Handel begonnen wird und die Käseträger in Aktion treten können, werden unter der Anleitung des Marktmeisters 30. 000 Kg Käse in langen Reihen auf den Waageplatz hingesetzt.

Schon während des Stapelns nehmen die Prüfer und Händler den Käse in Augenschein. Das Äußere ist von wesentlicher Bedeutung. Nachdem die Prüfer mit einem speziellen Bohrer ein Stückchen Käse aus dem Edamer oder Goudaer gebohrt haben, wird der Käse beklopft, probiert und berochen. Danach verkrümeln Händler und Käufer ein Stückchen zwischen Daumen und Zeigefinger. Gefühlsmäßig und mit großem Fachwissen beurteilen sie das richtige Verhältnis zwischen Geschmack-, Fett- und Feuchtigkeitsgehalt. Erst danach fängt das Feilschen und bieten um den Preis an. Dabei werden die Hände aufeinandergeschlagen. Mit dem letzten Handschlag wird der Kauf einer Partie Käse besiegelt. Der verkaufte Käse wird mit einem Totalgewicht von jeweils 160 kg mit der Trage zur Waage gebracht.

Nach dem Wiegen bringen die Käseträger die Fracht zurück zum Waagplatz, von wo der Käse weitertransportiert wird. Die Käseträger sind in der Regel um 12.00 Uhr mit ihrer Arbeit fertig. Dann muss aller Käse gewogen und vom Marktplatz weggetragen sein.

Ich bedankte mich höflich für seine Ausführungen und wandte mich dem Geschehen innerhalb der Waage zu. Beim Wiegen ist ständig der Waagemeister zur Stelle. Er hat die Aufgabe dafür zu sorgen, das dem Käufer das gute Gewicht berechnet wird. Der Wahlspruch der Alkmaarer Käseträgergilde lautet: „Een valse Waghe is de Heere een gruwel“, zu deutsch: „Eine falsche Waage ist dem Herrn ein Gräuel“. Die Käseträger laufen immer im Eiltempo zwischen der Waage und dem Lagerplatz hin und her und ständig mit einem Gewicht zwischen 80 und 160 kg total. Auch wenn die Träger immer zu scherzen aufgelegt sind, sollte man nicht außer acht lassen, dass dieses Gewicht durch Manneskraft getragen wird. Man kann schon feststellen das diese Arbeit anstrengend ist. Nachdem ich nun alles über den Ablauf auf dem Käsemarkt erfahren hatte, ging ich auch einmal ins Käsemuseum. Auf dem Weg dorthin begegneten mir Menschen in Trachten aus den letzten 200 Jahren, natürlich fehlte auch nicht „Frau Antje aus Holland“, dem Klischee der Niederländer in der ganzen Welt (schade eigentlich).Im Museum selbst interessierte ich mich nur noch für den geschichtlichen Teil der Gilde, da es ein großes Gedränge innerhalb des Gebäudes gab. Den Besuch in den Museen von Alkmaar werde ich an einem anderen Tag nachholen, auf keinen Fall an einem Freitag.

Die Käseträgergilde:

Im Jahre 1619 wird die Gilde der Käseträger zum erstenmal in den Stadtarchiven vermeldet. Es ist allerdings so gut wie sicher, dass die Käseträger sich einige Jahrhunderte eher zu einer Berufsgruppe zusammengeführt haben. Das war im Mittelalter gebräuchlich.Weil der Handel sich schnell ausbreitete, wurde 1612 eine vierte Waage in Gebrauch genommen und in 1622 wurden die ungeschriebenen Regeln der Gilde offiziell festgelegt. Die Käseträgergilde besteht aus 28 Männern. Man kann sie an der Farbe der Strohhüte und Tragbaren erkennen.

 

Die Ernennung der Gilde:

Wer der Käseträgergilde beitreten will, wird erst zwei Jahre als Nothilfe angestellt und steigt danach zum „Vastmann“ auf. Das ist der Name für einen erfahrenen Käseträger. Jede Veem hat einen ältesten Käseträger, der erkennbar ist an der schwarzen Ledertasche. Darum wird er „Taschenmann“ genannt. Der Vormann wird „Overman“ genannt. Er trägt ein silbernes Schildchen an der Schleife. Der „Käsevater“ steht an der Spitze der vier Vemen. Er trägt einen orange farbigen Hut und läuft als Zeichen seiner Würde mit einem schwarzen Wanderstock, mit einem Silberbeschlag am Handgriff, umher. Jeden Freitag um 07.00 Uhr treten seine Käseträger zum Appell an. Wer nicht anwesend ist, wird vom „Provoß“ auf die Schandtafel notiert und bekommt eine Geldstrafe auferlegt. Der Provoß trägt eine silberne Tragbare an einer Schleife in der Farbe seiner Veem. Der niedrigste Rang ist der „Knecht“. Er muss alle vorkommenden Arbeiten verrichten.

 

Käsebearbeitung in den Niederlanden:

Man fand auf friesischen Warften Käsefässer vom Anfang unserer Jahreszählung. Dieses deutet darauf hin, dass die Bewohner Vieh hatten und Käse herstellten. In den Weidegebieten von Nord- und Südholland, Friesland und westlich von Utrecht wurde noch bis Ende des 19.Jahrhunderts aller Käse auf dem Bauernhof produziert. Heutzutage gibt es noch ca. 625 Käsebauernhöfe in den Niederlanden.

Nach soviel trockener Information erinnerte ich mich daran, dass meine Frau ja immer noch auf mich wartete. Ich beschloss sie sofort aufzusuchen um ihr zu erzählen, welche Informationen ich erhalten hatte. Auf dem Weg zum Café gönnte ich mir noch einmal einen Blick von der „Oude Gracht“ in Richtung „Kaasmarkt“ mit besonderem Augenmerk auf das Bild unterhalb des Glockenturmes. Dann war ich endlich bei meiner Frau angekommen. Nach einem nochmaligen „Kopje Koffie“ verließen wir das Café und machten uns auf den Weg zu unserem Auto. In der Innenstadt sahen wir dann ein älteres Gebäude mit einem Türmchen das sich in einem gepflegten Äußeren präsentierte. Es handelte sich um das Standesamt. Beim Wagen angekommen entschlossen wir uns über Enkhuizen, Lelystad und Apeldoorn nach Hause zu fahren.